UNS mit WORTEN BEGEGNEN
Deep Listening & Sharing
Vermutlich hast du schon mal erfahren wie nährend, schöpferisch und sogar heilsam es sein kann, wenn Menschen sich begegnen und es ist
Raum, den anderen wirklich zu hören und
aus dem Herzen zu sprechen.
Wie kann das funktionieren?
Was es dazu braucht, sind
- Präsenz,
- Mitgefühl/Empathie
- den Mut sich zu zeigen
- Offenheit
- eine grundlegende Absicht auf diese Art da zu sein.
Schauen wir uns das einmal näher an:
PRÄSENT SEIN
Präsentsein bedeutet, bewusst wahrzunehmen, was jetzt gerade im Kontakt bei dir da ist, was du fühlst, denkst, glaubst oder dir vom anderen vorstellst.
- Wo ist dein Körper gerade? Wie fühlt er sich an?
- Was für Bilder oder Gefühle sind gerade da?
INNEHALTEN und das Lauschen verinnerlichen
SICHTBAR SEIN - SHARING
Im Miteinander ist das Lauschen der Ausgangspunkt, aber allein reicht es oft nicht aus. Weil wir nur bei uns selbst wahrnehmen können, ist unsere Wahrnehmung immer nur eine Vorstellung, von dem was außerhalb von uns und beim anderen ist.
Nur wenn wir unsere Vorstellungen teilen, indem wir sie mitteilen, werden wir wirklich sichtbar für den anderen und die Welt.
Solange wir es nicht wagen uns mit dem zu zeigen, was gerade in uns präsent ist und hinter unseren Masken verborgen bleiben, entsteht auch im Miteinander keine höhere Weisheit, kein nährendes Ganzes. Deshalb ist es so wichtig, dass wir uns mutig mit dem zeigen, was gerade in uns präsent ist.
MITFÜHLEND SEIN
Lauschen und sich Mitteilen bedürfen der Empathie und des Mitgefühls, damit tiefes, berührendes Zuhören und „aus dem Herzen sprechen“ geschehen kann.
Mitgefühl muss sich im Prozess der Begegnung immer wieder neu entfalten. Es erfordert, sich immer wieder dem Anderen mit dem ganzen Wesen hinzuwenden und sich von ihm berühren zu lassen.
Aus dieser Haltung heraus sind wir mit unserer Intuition und unserer natürlichen Neigung zu Liebe und Güte verbunden. Wir hören, was der andere wirklich sagt und sprechen aus, was wirklich ist.
Nichts Harmonisieren
Sprechen aus dem Herzen bedeutet aber keineswegs, dass wir immer etwas Schönes, Liebevolles ausdrücken sollen.
Wir würden so schwierige Gefühle wie beispielsweise Ärger auf jemanden oder Antipathie ignorieren.
Im Fall solcher Gefühle ist es wichtig in der Präsenz zu bleiben, innezuhalten und so zugewandt und respektvoll wie möglich auszudrücken, was in der Begegnung bei dir gerade da ist.
”Wesentlicher als Religion ist unsere elementare menschliche Spiritualität. Das ist eine in uns Menschen angelegte Neigung zur Liebe, Güte und Zuneigung.“14. Dalai Lama
BEGEGNUNG auf der BEZIEHUNGSEBENE
Ein Grund, warum wir uns oft nicht nahe kommen, die Begegnung oberflächlich oder kühl bleibt, selbst wenn wir über unsere Gefühle sprechen, ist, dass wir uns nicht auf der Beziehungsebene begegnen.
Begegnung und Kommunikation kann auf der Informations-, Emotions- und der Beziehungsebene stattfinden. Wir teilen auf der Arbeit sachlich Informationen mit, diskutieren mit Bekannten über ein Thema und reden manchmal auch mit Freunden über unsere Gefühle. Jede der Ebenen hat ihre Berechtigung und ihren Sinn.
Damit aber eine nährende, schöpferische Kommunikation entstehen kann, die uns wirklich berührt und Verbundenheit statt Trennung entfalten kann, müssen wir uns auch auf der Beziehungsebene begegnen.
Das bedeutet, ich gebe dem Anderen, egal ob ein Fremder oder ein Freund und unserer Beziehung Aufmerksamkeit und Wichtigkeit, nicht nur einem vielleicht vorhandenen Thema. Ich entscheide mich meine Aufmerksamkeit darauf zu lenken, was jetzt gerade in dieser Beziehung mit diesem Menschen, in mir geschieht.
Vielleicht freue ich mich über das Lachen des Menschen, vielleicht habe ich Angst, dass er mich nicht mag, …. Wenn ich so etwas wahrnehme und gegebenenfalls auch mitteile, kann die Begegnung uns beide berühren und nähren.
Es ist ganz wesentlich Gefühle, auch wenn es unangenehme sind, da sein zu lassen und mutig und möglichst respektvoll mitzuteilen. Wenn in der Begegnung etwas zurückgehalten wird, weil es nicht da sein „darf“, rutscht es unter den Teppich und wirkt in der Begegnung von dort unbemerkt als Saboteur.
Diese Art der Kommunikation erfordert nicht, dass der andere „mitmacht“, beispielsweise „gewaltfrei kommuniziert“. Sie stützt sich nur auf deine Präsenz, darauf, dass du mitteilst, was in dir geschieht, und deine Wahrnehmung und Befindlichkeit immer wieder in den Raum zwischen euch gibst.
verdeutlicht, was unsere Haltung in der Welt bewegen kann.
Das Geschenk des Rabbis
Es war einmal ein Kloster, für das schwere Zeiten angebrochen waren. Einst ein großer Orden, waren nun alle seine Bruderhäuser aufgelöst, bis zuletzt nur noch fünf Mönche übrigblieben: der Abt und vier andere, alle bereits in fortgeschrittenem Alter. Der Orden war dabei zu sterben, das war klar.
In den tiefen Wäldern, die das Kloster umgaben, stand eine kleine Hütte, die ein Rabbi aus einer nahe gelegenen Stadt gelegentlich als Einsiedelei nutzte. Durch die vielen Jahre des Gebets und der Kontemplation waren die alten Mönche ein wenig hellsichtig geworden, sodass sie es immer spüren konnten, wenn der Rabbi in seiner Einsiedelei weilte.
„Der Rabbi ist im Wald, der Rabbi ist wieder im Wald“, pflegten sie dann einander zuzuflüstern. In einer solchen Zeit, als der Abt wieder einmal mit dem unabwendbaren Sterben seines Ordens haderte, kam ihm die Idee, den Rabbi in seiner Einsiedelei zu besuchen und ihn zu fragen, ob er möglicherweise einen Rat wüsste, wie das Kloster zu retten sei.
Der Rabbi hieß den Abt in seiner Hütte willkommen. Aber als der Abt den Zweck seines Besuches erklärte, rief er nur mitfühlend: „Oh ich weiß, wie das ist, der Geist hat die Menschen verlassen. Es ist genauso in meiner Stadt. Fast keiner kommt mehr in die Synagoge!“ So weinten der alte Abt und der Rabbi zusammen. Die Zeit kam heran, dass der Abt aufbrechen musste, und die beiden umarmten sich zum Abschied.
„Die Begegnung mit dir war wunderbar“, sagte der Abt, „aber ich habe noch immer nicht das erreicht, um dessentwillen ich herkam. Gibt es denn gar nichts, was du mir sagen kannst, keinen Rat, der mir helfen würde, meinen sterbenden Orden zu retten?“ „Nein, es tut mir leid“, erwiderte der Rabbi, „ich weiß auch keinen Rat. Das einzige, was ich dir sagen kann, ist, dass der Messias einer von euch ist.“
Als der Abt zum Kloster zurückkehrte, versammelten sich seine Brüder um ihn und fragten: „Nun, was hat der Rabbi gesagt?”„Er konnte auch nicht helfen”, antwortete der Abt. „Wir haben nur zusammen geweint. Das einzige, was er sagte, war, dass der Messias einer von uns sei. Ich weiß nicht, was er meinte.“
In den Tagen, Wochen, Monaten, die folgten, sinnierten die alten Mönche über diese Worte nach und fragten sich, ob es irgendeine Bestätigung für die Worte des Rabbis gebe. Der Messias einer von uns? Kann er überhaupt einen von uns Mönchen hier im Kloster gemeint haben? Wenn ja, welchen denn? Glaubst du, er meinte den Abt? Ja, wenn, dann war es vermutlich Vater Abt. Andererseits könnte er Bruder Thomas gemeint haben. Sicherlich ist Bruder Thomas ein heiliger Mann. Bruder Elred konnte er ja wohl nicht gemeint haben. Elred ist viel zu schrullenhaft. Aber wenn man es recht bedenkt, auch wenn er ein Ärgernis für die Leute ist, hat Elred eigentlich immer recht. Oft sehr recht. Womöglich meinte der Rabbi wirklich Bruder Elred! Aber sicher nicht Bruder Phillip. Phillip ist so passiv , ein rechter Niemand. Aber dann, beinahe rätselhaft, hat er die Gabe, irgendwie immer da zu sein, wenn man ihn braucht. Er erscheint wie durch Zauberei an deiner Seite. Vielleicht ist Phillip der Messias. Natürlich meinte der Rabbi nicht mich. Mich kann er auf keinen Fall gemeint haben. Ich bin ja nur ein gewöhnlicher Mensch. Obwohl es schön wäre, wenn er mich gemeint hätte angenomen, er meinte wirklich mich? Angenommen, ich bin der Messias? Nein, das kann ich aber nicht glauben, das ist nur Hochmut, der mir das einredet!
Während sie so hin und her überlegten, begannen die alten Mönche einander mit außerordentlichem Respekt zu behandeln, wegen der entfernten Möglichkeit, dass einer von ihnen der Messias sein könnte. Und auf die noch entferntere Möglichkeit hin, dass jeder der Mönche selbst der Messias sein könnte, begannen sie, auch sich selbst mit außerordentlichem Respekt zu behandeln.
Der Wald, in dem das Kloster lag, zog viele Besucher an und so geschah es auch gelegentlich, dass Leute am Kloster vorbeikamen, um dort auf der kleinen Wiese zu picknicken, oder sogar dann und wann in der baufälligen Klosterkapelle zu meditieren. Wenn sie das taten, spürten sie, ohne sich dessen bewußt zu sein, diese Aura von außerordentlichem Respekt, die nun die fünf alten Mönche zu umgeben begann. Sie schien von ihnen auszustrahlen und die Atmosphäre des Ortes zu durchdringen. Eine ungreifbare, magische Anziehung ging davon aus.
Kaum wissend warum, kehrten sie immer häufiger in die Gegend um das Kloster zurück, um zu picknicken, zu spielen, zu beten. Sie begannen, ihre Freunde mitzubringen, um ihnen diesen besonderen Ort zu zeigen. Und ihre Freunde brachten wiederum andere Freunde mit.
Dann geschah es, dass einige der Jüngeren, die das Kloster besuchten, anfingen, mehr und mehr mit den alten Mönchen zu sprechen. Nach einiger Zeit fragte einer, ob er sich ihnen anschließen dürfe. Dann ein anderer und noch einer. So wurde das Kloster innerhalb weniger Jahre wieder ein aufstrebender Orden und, dank des Geschenkes des Rabbis, ein lebendiges Zentrum von Licht und Liebe in der Gegend.
«Das wichtigste Sakrament der Zukunft wird in der Begegnung zwischen den Menschen liegen.»Rudolph Steiner, Begründer der Anthroposophie